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Aus dem Newsletter Juli 2019

Insolvenzprognosen und Risikoentwicklung

02.07.2019

Totgesagte leben länger? Nicht nur in China gibt es sogenannte Zombie-Unternehmen, die zwar nicht profitabel sind, aber dank günstiger Konditionen weiterexistieren. Doch bleiben Firmenpleiten nicht gänzlich aus – im Gegenteil: 2019 verzeichnet Deutschland ein neues Hoch an Insolvenzen. Und der Rest der Welt? Wir haben die Zahlen, Schätzungen und Prognosen der Versicherer – und geben unsererseits eine Einschätzung, wie diese reagieren werden.

Ende der Zombie-Zeit?

Beim Begriff sogenannter „Zombie-Unternehmen“ dachte man bislang fast automatisch an China, wie Ron Van Het Hof, CEO von Euler Hermes Deutschland, in einem Blogbeitrag erläutert. Doch auch hierzulande gibt es überraschend viele solcher Unternehmen, die nicht nur ein Exportrisiko bilden, sondern auch ein Problem für Lieferanten darstellen, das sie besser im Auge behalten sollten. Doch dazu gleich.

Worum geht´s? In China wurden viele Unternehmen durch sehr günstige Tarife jahrelang unterstützt und am Leben erhalten, ob sie nun profitabel waren oder nicht. Die nennt man Zombie-Unternehmen. Wie Van Het Hof feststellt, hat sich nun der Fokus der chinesischen Regierung verschoben: Sie habe sich einen gezielten Strukturwandel zum Ziel gesetzt und wolle die Wertschöpfungskette erklimmen: weg vom billigen Produktionsland, hin zu einer vom Dienstleistungssektor geprägten Wirtschaft. Viele Branchen, die in der Vergangenheit gefördert wurden, stehen nun nicht mehr im strategischen Fokus des Staats. Die Regierung habe keine Angst mehr, sie pleitegehen zu lassen. Van Het Hof liest an den Zahlen für China ein wahres „Zombie-Sterben“ ab: Habe der Zuwachs bei den Insolvenzen 2016 noch bei 11 Prozent gelegen, seien es 2017 zusätzliche 74 Prozent und 2018 vermutlich nochmals 60 Prozent mehr gewesen. Und der Trend werde sich auch 2019 mit voraussichtlich etwa 20 Prozent mehr Pleiten im Vergleich zum Vorjahr fortsetzen.

Wer glaubt, Deutschland sei vor jenem Phänomen gefeit, irrt gewaltig. Auch hierzulande werden durch das niedrige Zinsniveau viele Unternehmen am Leben gehalten, die mit höheren Zinsen und geringerem Wirtschaftswachstum nicht überleben würden. Das Handelsblatt hat errechnet, dass ca. 7 Prozent aller deutschen Unternehmens „Zombies“ seien, die zwischen 2014 und 2016 permanent negatives Vorsteuerergebnis aufwiesen. Laut Handelsblatt: Tendenz steigend. 

Aussagen, die zu Euler Hermes Einschätzung der Insolvenzentwicklung in Deutschland passen: Demnach seien die Fallzahlen seit Jahren rückläufig, aber die Schäden seit 2015 drastisch angestiegen. Durchschnittliche Schäden pro Insolvenz hätten sich sogar verdoppelt. Was sich seit zwei Jahren weltweit zeigt, sei 2019 auch für Deutschland zu erwarten: stagnierende Fallzahlen – und damit auch höhere Kreditrisiken und ein Ende der Zombie-Epidemie.

 

Schwächelnde Konjunktur und weltweit schwierige Finanzierungsbedingungen

Damit einher geht wohl ein „Ende der fetten Jahre“, wie der Kreditversicherer Euler Hermes in seiner aktuellen Insolvenzstudie voraussieht. Demnach seien 2019 Exportrisiken deutlich auf dem Vormarsch: In zwei von drei Ländern weltweit steigen die Insolvenzen. Global erwartet die Allianz-Tochter rund 6% mehr Insolvenzen als im vergangenen Jahr. Die rote Laterne gehe dabei erneut an China: Die Volkswirte erwarten für 2019 eine weitere Pleitewelle und einen Anstieg der Fälle um 20 Prozent (nach dem schon massiven Anstieg um rund 60 Prozent im vergangenen Jahr). Auch Westeuropa bleibe nicht verschont: Die Insolvenzen sollen 2019 um rund 3 Prozent steigen.

Auf ähnliche Zahlen kommt Christiane von Berg, Regional Economist bei Coface, in ihrem Konjunkturfrühindikator. Sie rechnet für Westeuropa ebenfalls mit einem Anstieg der Insolvenzen um 3 Prozent und, in Mittel- und Osteuropa gar um 4 Prozent. Deutschland liegt bei dieser Insolvenzprognose mit plus 2 Prozent noch leicht unter den Zahlen für den Euroraum. Mit einigen Sorgen blickt Coface in einer Pressemitteilung auf bestimmte Branchen. Nach dem Automobilsektor, dessen Bewertung in Europa, Nordamerika und Lateinamerika Anfang des Jahres herabgestuft wurde, spüren nun die Zulieferer die Folgen des sinkenden Automobilabsatzes. Besonders betroffen sei der Chemiesektor. Die petrochemischen Unternehmen reagierten zudem empfindlich auf die steigenden Öl- und Ethanpreise sowie auf Änderungen des regulatorischen Rahmens und des Verhaltens der Verbraucher. Diese Entwicklung veranlasst Coface, den Chemiesektor in den Vereinigten Staaten, Deutschland und den Niederlanden auf mittleres Risiko und auf hohes Risiko in Frankreich, Großbritannien und Italien herabzustufen.

Als Gründe für diese Entwicklung nennt Ludovic Subran, Chefvolkswirt von Euler Hermes und stellvertretender Chefvolkswirt der Allianz, das Ende des leichten Geldes, eine historisch hohe Verschuldung von Unternehmen, neue Insolvenzregeln oder, wie in China, die wesentlich größere Bereitschaft, Insolvenzverfahren auch anzuwenden.“ Darüber hinaus gebe es eine „Extraportion“ Insolvenzen in jenen Ländern, wo in den letzten Jahren Neugründungen stark angestiegen sind. „Viele dieser jungen Firmen schaffen es nicht“, so Subran. Die Heuler Hermes Insolvenz-Studie sieht Deutschland mit einer Stagnation der Fallzahlen 2019 weiterhin gegen den Trend, zusammen mit den USA und den Niederlanden, die beide 2019 voraussichtlich ebenfalls gleichbleibende Fallzahlen verzeichnen. Doch so gut Deutschland und die Niederlande auch dastünden, zeige sich auch hier die Trendwende langsam, warnt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. So haben sich die durchschnittlichen Schäden durch Insolvenzen in den letzten Jahren bereits verdoppelt. Zudem seien deutsche Unternehmen aufgrund ihrer starken Exportorientierung von den weltweit steigenden Pleitezahlen besonders betroffen. „Bei erneuten Spannungen und Handelskonflikten gehören sie ebenfalls zu den größten Verlierern, insbesondere in der Automobilindustrie.“

Als „Klassenbeste“ identifiziert Euler Hermes Brasilien (- 6 %), Griechenland (- 6 %), die Tschechische Republik (- 10 %) und Ungarn (- 11 %). Auch Kolumbien (-1 0 %), Portugal, Irland und Litauen (alle jeweils - 5 %) verzeichnen sinkende Fallzahlen. Allerdings würden sich die Pleitezahlen dort weiterhin auf historisch hohem Niveau bewegen.

 

So reagieren die Versicherer

„Seit Ende 2018 verzeichnen wir gehäuft Risikomaßnahmen der Versicherer“, sagt Ralf-Patric Paps, Geschäftsführer von HANSEKONTOR. Die Versicherer würden vorsichtiger in der Übernahme von Risiken. Zu beobachten sind eingeschränkte Limitzeichnungen und eine Reduzierung oder Aufhebung bestehender Versicherungssummen auf italienische und britische Kunden. Zudem schränken die Versicherer Limitzeichnungen auf Großkunden unterschiedlicher Branchen ein. Sichtbar sei laut Ralf-Patric Paps auch ein Anstieg an Überfälligkeitsmeldungen, ein Anstieg an Schadenfällen sei zu erwarten. In der Folge würden Prämienreduzierungen bei Versicherern schwieriger durchsetzbar.

 

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