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Aus dem Newsletter Juli 2019

Mit Deal, ohne Deal oder gar nicht – quo vadis, Brexit?

21.06.2019

Bis dato präsentiert sich der Brexit als „never ending story“. Wir lassen die großen Versicherer prognostizieren, inwiefern wichtige Branchen betroffen sein werden. Ebenfalls untersuchen wir, wie sich die Insolvenzen nach dem Brexit entwickeln werden. Nicht zuletzt werfen wir einen Blick auf die Auswirkungen, die mögliche Austritts-Szenarien auf Ihre Versicherungsverträge haben könnten.

Zur Erinnerung: Den Austritt eines Staates regelt Artikel 50 des Vertrages über die Europäische Union. Als Enddatum der Mitgliedschaft nach Bekunden des Austrittswillens setzt dieser eine Frist von zwei Jahren.  Für Großbritannien ist jene Frist nach dem Referendum im Juni 2016 abgelaufen. Wie lautet nun der Stand der Dinge? Nachdem das britische Unterhaus einen von Theresa May mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag Ende März zum dritten Mal ohne Einigung auf Alternativen abgelehnt hat, gilt der Brexit vorerst als gescheitert. Auf dem EU-Sondergipfel am 10. April stimmten die 27 verbleibenden EU-Mitglieder einem Brexit-Aufschub bis zum 31. Oktober dieses Jahres zu (sollten sich die Parteien vorher einigen, ist ein früherer Austritt möglich). Bis dahin bestehen die Optionen:

  • a) Großbritannien stimmt dem vorliegendem Brexit-Deal doch zu;
  • b) GB überdenkt die eigene Strategie;
  • c) GB tritt vom geplanten EU-Austritt zurück (sogenannter „Bremain“).

Die EU prüft Ende Juni den Brexit-Prozess. Inzwischen hat Premierministerin Theresa May Ihren Rücktritt zum 07.06. angekündigt und bei der Europawahl am 26.05. hat die Brexit-Partei in Großbritannien die meisten Wählerstimmen erhalten. Inwieweit dieses Ergebnis auch die weiteren Brexit-Verhandlungen beeinflusst, wird sich zeigen.

Und die Wirtschaft? Immerhin schufen ausländische Unternehmen Hunderttausende Arbeitsplätze auf der Insel, investierten Milliarden. Wie folgenschwer ein ungeordneter Brexit sein könnte, bekommt zum Beispiel die Automobilbranche schon jetzt zu spüren. Wie die „Welt“ berichtet, hat sich Nissan aufgrund der Brexit-Debatte gegen die Fertigung eines neuen Geländewagenmodells in einem britischen Werk entschieden. Der japanische Autohersteller schätze die Kosten des Brexits für das Unternehmen auf mehrere hundert Millionen Pfund. Weitere Hersteller wie Honda und Toyota kündigen bereits ihren Rückzug an, sollte es zum No-Deal-Brexit kommen. Doch auch den heimischen Herstellern drohe laut Welt Ungemach. So setze sich der BMW-Sohn Mini aus Teilen zusammen, die aus den unterschiedlichsten EU-Ländern stammen. Ein No-Deal-Brexit jedoch würde einerseits auf jedes aus Großbritannien in die EU importierte Auto einen Einfuhrzoll von zehn Prozent fordern; Staus und Zollkontrollen ließen Großbritannien zusätzlich als Fertigungsstandort unberechenbar und damit unprofitabel werden.

 

Versicherer warnen vor höherem Insolvenzrisiko

Auch die Versicherer sehen einen ungeregelten Austritt als große Gefahr. Atradius beispielsweise geht in einer aktuellen Analyse von kurzfristig stark steigenden Insolvenzrisiken bei britischen Abnehmern aus, sollte es zu einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kommen. „Das Zahlungsrisiko von Großbritanniens Firmen hängt unmittelbar mit dem Ausgang der aktuellen Brexit-Verhandlungen zusammen“, sagt Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa von Atradius in einer Pressemitteilung. Ohne Abkommen werde der freie Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU über Nacht zum Erliegen kommen. „Die Handelskosten würden erheblich steigen, besonders aufgrund der dann geltenden Zölle. Da rund die Hälfte der Exporte Großbritanniens in die EU gehen, wären die Firmen im Vereinigten Königreich besonders betroffen. Für ihre Lieferanten und Dienstleister wäre das Forderungsrisiko erheblich größer“, so Thomas Langen.

Schon für dieses Jahr rechnet Atradius in Großbritannien mit 15.800 Insolvenzen – ein Anstieg von 4 % gegenüber dem Vorjahr. Damit nicht genug, schätzt Atradius, dass sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf der Insel bei einem „harten Brexit“ bis Ende 2020 um über 2 % schlechter entwickelt als bei einer Übergangslösung. Inflation und Arbeitslosigkeit würden stark steigen, die Industrieproduktion gebremst werden und sich folglich das Insolvenzrisiko deutlich erhöhen. Bereits 2020 würde ein ungeregelter Austritt dem Kreditversicherer nach 14 % mehr Firmenkonkurse nach sich ziehen als bei dem von der britischen Regierung vorgeschlagenen Ausstiegsabkommen. Umgerechnet müssten voraussichtlich rund 2.300 britische Unternehmen mehr Konkurs anmelden. Gerade im verarbeitenden Gewerbe erwartet Atradius eine besonders starke Zunahme der Insolvenzen.

Auch mehrere andere Volkswirtschaften sieht Atradius bei einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU betroffen, insbesondere Irland, dessen Wirtschaft elf Prozent seiner Exporte nach Großbritannien ausführt. Doch auch Belgien, die Niederlande und Dänemark weisen eine – im Vergleich zu anderen EU-Staaten – hohe Exportquote in das Vereinigte Königreich auf. Atradius prognostiziert hier eine Zunahme der Insolvenzen von jeweils 1,5 %, sollte der Ausstieg Großbritanniens aus der EU tatsächlich ohne Abkommen stattfinden. In Deutschland könnten die Insolvenzen um 1 Prozent steigen.

Laut Ron Van Het Hof, CEO von Euler Hermes Deutschland, liegen die Chancen, dass die Briten ohne Handelsabkommen austreten, bei rund 25 Prozent. Im Falle dieses „Worst-Case-Szenarios“ sieht Van Het Hof Exporte in Höhe von rund 30 Milliarden (Mrd.) Britischen Pfund (GBP) in Gefahr – immerhin 8 Prozent aller britischen Warenausfuhren! Die Umsätze britischer Unternehmen würden pro Jahr um rund 1 Prozent schrumpfen. Im Gegensatz zu den Insolvenzen. Seien diese 2018 mit 10 Prozent schon überdurchschnittlich stark gestiegen, kämen 2019 bei einer Einigung 9 Prozent hinzu, bei einem „No Deal“ gar 20 Prozent, so Ron Van Het Hof in seinem Blog. Laut dem CEO von Euler Hermes Deutschland wären insbesondere die britische Finanzindustrie, Automobilbranche, Maschinenbau, Chemie-, Lebensmittel- und Energiesektoren betroffen, denn sie seien am stärksten vom europäischen Binnenmarkt abhängig.

Auch auf dem Kontinent würde ein ungeordneter Austritt Spuren bei Unternehmen und Wirtschaft hinterlassen. Laut Schätzungen habe die Eurozone zwischen 2016 bis 2018 bereits über 100 Mrd. Euro an potenziellen Exporten verloren. Allein die deutschen Exporte nach Großbritannien lagen 2018 um 7 Mrd. Euro unter denen von 2015 (- 8 %). Der Verlust an potenziellen Exporten auf die Insel werde allein für Deutschland seit 2016 auf etwa 50 Mrd. Euro geschätzt, so Van Het Hof.

 

Auswirkungen des Brexit auf Ihre Versicherungsverträge

So viel zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage – doch wie steht es die persönlichen Versicherungsverträge? Aufgrund des Brexit entfallen für Versicherer die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit in GB. Ersteres betrifft Versicherungsnehmer nur indirekt – Versicherer müssen für aktuelle Niederlassungen in GB eine Zulassung als Drittland-Niederlassung beantragen. Der Entfall der Dienstleistungsfreiheit betrifft die Ausstellung von Versicherungsverträgen und die Übernahme von Versicherungsschutz für EU-Unternehmen außerhalb UK. Zukünftig ist ggf. eine Darstellung der Verträge über eine andere Niederlassung des Versicherers nötig.

 

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